Lernen im KI-Zeitalter: Aufbruch in eine neue Bildungsära
In Kooperation mit dem AI Hub Frankfurt und der Bertha-von-Suttner-Schule in Mörfelden veranstaltete die statworx-Initiative AI for Good das Forum „Zukunftsfähige Bildung neu denken im KI-Zeitalter“ mit Gästen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.


Gemeinsam mit der Bertha-von-Suttner-Schule und dem AI Hub Frankfurt veranstalteten wir eine Forum, das sich der Frage widmete, wie Künstliche Intelligenz die Bildungslandschaft verändert. Unter dem Titel „Zukunftsfähige Bildung neu denken im KI-Zeitalter“ fanden sich zahlreiche interessierte Gäste aus der Bildungslandschaft und namhafte Expert:innen aus Schulwesen, Forschung und Wirtschaft an der Bertha-von-Suttner-Schule in Mörfelden-Walldorf ein, um gemeinsam zu diskutieren und in Workshops zu dem Thema zu arbeiten.
Impulse für eine neue Bildung
Professor Andreas Dengel von der Goethe-Universität Frankfurt eröffnete das Forum mit einem pointierten Impulsvortrag – und mit einer Anekdote aus seiner eigenen Schulzeit. Als leidenschaftlicher Gamer habe er seinen Lehrer:innen einst offenbart, durch das Strategiespiel Age of Empires mehr über Geschichte gelernt zu haben als im Unterricht. Was damals für Irritation sorgte, steht heute sinnbildlich für eine Debatte, die das Bildungssystem grundlegend herausfordert: Wie muss Schule sich verändern, wenn digitale Technologien und Künstliche Intelligenz den Lernprozess neu definieren?
Dengel ist überzeugt, dass Bildung künftig individueller und interessenbezogener gestaltet werden muss. Schüler:innen seien keine homogenen Lerngruppen, sondern „subjektive Individuen“, wie er betont. Aus dieser Erkenntnis leite sich ein Paradigmenwechsel ab: Weg von standardisierten Inhalten, hin zur gezielten Förderung persönlicher Stärken. Fragen wie Was interessiert dich? Was kannst du? Was brauchst du? müssten ins Zentrum der pädagogischen Arbeit rücken.
Den Wandel von einem Medium zum nächsten – vom Plattenspieler zum Streamingdienst – beschreibt Dengel als historisches Muster, das sich auch in der Schule vollziehe. Die entscheidende Frage sei nicht mehr, ob Künstliche Intelligenz Teil des Unterrichts wird, sondern wie. KI könne dabei helfen, Interessenorientierung zu ermöglichen und individuelle Zugänge zum Lernen zu eröffnen.
Ein Beispiel: Beim Schreiben eines Aufsatzes sei es für die Bewertung nicht entscheidend, ob die Geschichte auf einem Ponyhof oder auf einem fernen Planeten spielt – entscheidend sei, dass sie an die Lebenswelt und Vorlieben der Schülerinnen und Schüler anknüpft. Künstliche Intelligenz könne solche kreativen Spielräume eröffnen, indem sie Anregungen bietet, Texte generiert oder individuelle Rückmeldungen gibt.
Mit einem humorvollen Rückgriff auf die Bildungsgeschichte schloss Dengel seinen Vortrag: „Es macht keinen Sinn, sie anzuschaffen.“ Gemeint war – überraschenderweise – nicht die KI, sondern die Kreidetafel, deren Einführung vor über hundert Jahren ebenfalls auf Skepsis stieß. Die Parallele ist offensichtlich: Wo einst ein neues Medium als pädagogische Revolution diskutiert wurde, steht heute KI im Zentrum der Debatte.
Paneldiskussion: Mehr als ein „Taschenrechner für Aufsätze“
Ein Zitat des hessischen Kultusministers, Künstliche Intelligenz sei der „Taschenrechner für Aufsätze“, markierte den Auftakt einer lebhaften Diskussionsrunde – und lieferte den passenden Kontrast zum Grundtenor des Panels: KI ist weit mehr als ein praktisches Hilfsmittel. Sie kann den Unterricht nicht nur vereinfachen, sondern ihn grundlegend verändern.
Die einhellige Meinung der Diskutierenden: Die Technologie eröffnet große Chancen – etwa durch individualisierte Lernprozesse, personalisiertes Feedback oder die Förderung spezifischer Interessen. Richtig eingesetzt, könne KI dazu beitragen, Chancengerechtigkeit im Bildungssystem zu stärken und digitale Spaltung zu vermeiden. Dafür brauche es allerdings mehr als technische Tools: notwendig seien neue didaktische Konzepte, die den Einsatz von KI pädagogisch reflektiert integrieren – und bestehende Strukturen hinterfragen. Prüfungen, wie sie heute stattfinden, gerieten dabei zunehmend ins Wanken.
Paradigmenwechsel mit Ansage
Axel Krommer, akademischer Oberrat an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, verortete die aktuelle Debatte in einem größeren kulturhistorischen Zusammenhang: Neue Paradigmen seien in der Geschichte stets zunächst abgelehnt worden – vom Buchdruck bis zur Digitalisierung. Auch ChatGPT sei mit Skepsis begegnet worden. Doch die eigentliche Herausforderung sei nicht die Technologie an sich, sondern der Wandel in der Leistungsbewertung: Ob ein Aufsatz mithilfe von KI entstanden sei oder durch die Eltern, sei für Lehrkräfte oft nicht mehr eindeutig zu erkennen.
Die Sorge, Schüler:innen könnten durch KI „immer dümmer“ werden, teilten die Panelteilnehmenden nicht. Im Gegenteil: KI könne – wie einst der Taschenrechner im Mathematikunterricht – neue Freiräume schaffen, um sich komplexeren Inhalten zu widmen. Entscheidend sei, Schüler:innen im kritischen Umgang mit solchen Werkzeugen zu schulen – und Lehrkräften die nötigen Kompetenzen an die Hand zu geben, um KI sinnvoll in den Unterricht zu integrieren.
Krommer ging noch weiter: „Noten sind Märchen für Erwachsene“, sagte er provokant. Er plädierte für eine Abkehr vom klassischen Prüfungssystem zugunsten kontinuierlicher Bewertung im Lernprozess. Ein Beispiel aus seinem Alltag untermauerte diese Haltung: Bei der Seepferdchenprüfung seines Kindes seien alle Kinder nervös gewesen – bis die Schwimmlehrerin erklärte, dass bereits im Training alle Anforderungen erfüllt worden seien. Niemand werde an einem einzigen Tag bewertet. So müsse es auch in der Schule sein.
Vertrauen statt Verbote
Auch das in Hessen geltende Handyverbot an Schulen wurde kontrovers diskutiert. Krommer bezeichnete es als „Zeichen völliger Hilflosigkeit“. Ein kategorisches Verbot löse keine pädagogischen Herausforderungen – vielmehr verhindere es, dass Kinder lernen, verantwortungsvoll mit digitalen Geräten umzugehen. Hier sei Aufklärung und Vertrauen gefragt – keine Abschottung.
Eine Umfrage unter Schüler:innen zeigte zudem: Viele sind überzeugt, dass Lehrkräfte nicht erkennen können, ob ein Text mit KI erstellt wurde. Die Medienrechtsanwältin Antonia Dufeu stellte klar: Die Nutzung von ChatGPT sei rechtlich nicht verboten. Es könne sich zwar um einen Täuschungsversuch handeln – eine Urheberrechtsverletzung sei es jedoch nicht. Doch auch hier gelte: „KI-Tools simulieren Kompetenz.“ Wer sie sinnvoll einsetzen wolle, müsse selbst ein gutes Sprachgefühl und Ausdrucksvermögen besitzen. Nur dann lasse sich die Qualität maschinengenerierter Inhalte verlässlich beurteilen. Sprachliche Bildung bleibe also zentral – auch im Zeitalter der KI.
Umfrage unter 700 Schüler:innen
Die Umfrage, die im Vorfeld des Forums von statworx und der Bertha-von-Suttner-Schule durchgeführt wurde, zeigt: Künstliche Intelligenz ist bereits fester Bestandteil vieler Schulrealitäten – sorgt aber auch für Verunsicherung. Rund 42 % der Befragten nutzen KI häufiger als Google, wenn sie Informationen suchen. Ein großes Problem, denn Ausgaben von ChatGPT und Co. können faktisch falsch sein. Doch die Technologie ist besonders gefragt, wenn es um besseres Verständnis von Lerninhalten (48 %) geht.
Während ein Teil der Schüler:innen KI wahrscheinlich zu viel vertraut, herrscht unter vielen ihrer Mitschüler:innen Skepsis: Über ein Drittel lehnt den KI-Einsatz bei schulischen Aufgaben ab – aus Angst vor Lerneinbußen, Denkfaulheit oder unfairem Vorteil. Schreibfächer gelten als besonders gefährdet. Auch ethische Bedenken, etwa die Angst vor Abhängigkeit oder Persönlichkeitsverlust, spielen eine Rolle.
Für das neue Schulfach „Digitale Welt“ wünschen sich viele eine fundierte Auseinandersetzung mit Chancen und Risiken von KI. Dabei geht es nicht nur um technische Kompetenzen, sondern auch um Aufklärung zu Deepfakes, Datenschutz und Fake News. Die Ergebnisse zeigen: Schüler*innen wollen nicht nur wissen, wie KI funktioniert – sondern auch, wann und wofür sie sinnvoll ist.
Fazit: Bildung braucht Haltung – auch im Umgang mit KI
Das Forum hat gezeigt: Künstliche Intelligenz ist nicht die Antwort auf alle Bildungsfragen, aber ein mächtiger Impulsgeber für notwendige Veränderungen. Der technologische Fortschritt fordert uns heraus, Schule neu zu denken – individueller, gerechter und lebensnäher. Dafür braucht es pädagogische Konzepte, die Vertrauen schaffen, digitale Kompetenzen stärken und den kritischen Umgang mit KI fördern. Bildung im KI-Zeitalter ist kein Selbstläufer – sie ist eine Gestaltungsaufgabe. Und die beginnt mit der Haltung, wie wir Lernen verstehen wollen. Die Frage bleibt also: Wird KI zum Taschenrechner für Aufsätze – oder zum Katalysator einer neuen Bildungsära?