Expert Interview
Unser Content Hub wächst und entwickelt sich weiter! Um unseren geschätzten Leserinnen und Lesern noch mehr hochwertige Expertise und relevante Inhalte bieten zu können, interviewen wir in regelmäßigen Abständen Expert:innen zu faszinierenden Themen rund um künstliche Intelligenz, Data Science, Machine Learning und verwandte Bereiche. Falls ihr euch als Expert:innen angesprochen fühlt, zögert nicht, euch bei uns zu melden. Wir sind stets auf der Suche nach neuen Möglichkeiten für Kooperationen und freuen uns darauf, gemeinsame Synergien zu entdecken, die zu einem spannenden Expert Interview führen können! Schreibt uns gerne unter: blog@statworx.com
1. Bitte stelle dich und deine Community kurz vor.
Ich bin Jesse Josefsson, TV- und Film-Musikproduzent und Host von Sync My Music, dem größten Youtube-Kanal und der Online-Bildungsplattform für Sync-Licensing. Ich habe im Jahr 2008 angefangen, Musik für Fernsehshows, Filme und Werbung zu kreieren und teile seit sieben Jahren mein Wissen und meine Einblicke in diesem Bereich der Unterhaltungsindustrie.
2. Wie wurden die jüngsten Fortschritte in der generativen KI von deiner Community aufgenommen?
Für viele Musiker:innen fühlt sich KI derzeit wie eine direkte Bedrohung an – nicht nur für ihren Lebensunterhalt, sondern auch für ihre eigene Identität. Lange Zeit haben wir alle angenommen, dass Musik so komplex und mysteriös in ihrer Entstehung ist, dass ein Computerprogramm keine Musik schaffen könnte – und wenn doch, dass es noch Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte dauern würde.
Apps wie ChatGPT und Midjourney haben die Welt mit ihren beeindruckenden Fähigkeiten quasi über Nacht auf den Kopf gestellt. Als dann KI-Modelle wie MusicLM von Google und MusicGen von Meta online gingen, fiel einigen von uns die Kinnlade herunter. Wir konnten sehen, dass KI viel besser und schneller beim Erzeugen von Musik geworden war, als wir alle erwartet hatten. Das stellt Musikschaffende vor die entscheidende Frage: “Werden diese Modelle die Arbeit, die ich bisher gemacht habe, völlig ersetzen?”
Ich glaube, die obersten zehn Prozent der Musikkomponist:innen werden vorerst wahrscheinlich nicht zu viel Druck von der KI-Konkurrenz spüren. Wir sollten uns als gesamte Community aber das Ziel setzen, unsere Musik KI-sicher zu machen, indem wir mehr menschliche Elemente in unsere Tracks einbringen, wie Gesang, Live-Instrumente, kreatives Genre-Mixing und andere Techniken.
3. Siehst du die Möglichkeit, dass KI in den nächsten Jahren Arbeitsplätze von Musiker:innen bedrohen könnte?
KI hat bereits begonnen, in den Bereich der Stockmusik-Lizenzierung unseres Geschäfts einzudringen. Stock-Seiten wie Pond5 und Shutterstock haben bereits damit angefangen, generative KI-Modelle auf ihren Musikkatalogen trainieren zu lassen. Das hat den betroffenen Komponist:innen ein paar Extra-Dollars eingebracht, wirft aber auch die Frage auf, ob diese generativen Modelle nicht zu direkten Konkurrenten dieser Stockmusik-Seiten werden. Das ist nämlich meine Vermutung; weil sie menschliche Schöpfer:innen nicht bezahlen müssen, werden generative Modelle einen Wettbewerbsvorteil auf dem Markt für schnelle, billige und leicht zu lizenzierende Musik haben. In den nächsten zwei bis fünf Jahren werden sich einige dieser Modelle am TV- und Filmmarkt etablieren. Dennoch ist es unklar, wie disruptiv das sein wird.
4. Bist du besorgt, dass KI eines Tages menschliche Musiker:innen vollständig ersetzen könnte?
Ich bin persönlich nicht besorgt, dass KI alle menschlichen Musiker:innen ersetzten wird. Musik zu erschaffen, ist eine fundamental soziale Funktion des Menschen. Daher erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass eine neue Software all das zerstören könnte. Derzeit werden jedoch viele unserer Annahmen über das Musizieren in Frage gestellt. Vermutlich werden diese neuen KI-Werkzeuge jedem ermöglichen, mit sehr wenig Aufwand musikalisch kreativ zu sein. Dadurch könnte sich auch die Bedeutung des Begriffs Musiker:in verändern. Aber ich glaube auch, dass wir immer das Bedürfnis haben werden, uns von Mensch zu Mensch über Musik zu verbinden. Vielleicht ersetzt KI einige kommerzielle Nutzungen von Musik, aber das Schaffen bedeutsamer künstlerischer Musik wird immer ein menschliches Bestreben bleiben.
5. Was können Kreative jetzt schon tun, um sich für diese KI-Transformation besser aufzustellen?
Ich habe gerade eine neue Tutorial-Reihe auf unserer Sync Academy Plattform veröffentlicht, die zeigt, wie Produzent:innen eine wettbewerbsfähige Position auf dem Sync-Marktplatz in den kommenden Monaten und Jahren aufbauen können. Ich glaube, dass Produzent:innen und Komponist:innen anfangen müssen, mehr von Menschen erstellte Elemente wie Gesang, Live-Instrumente und kreativeres Genre-Mixing hinzuzufügen. Dadurch werden sie meiner Meinung nach für Musik-Supervisors und -Editors zur ”premium, organic choice” für menschengemachte Musik. Von generativer KI erstellte Musik wird wahrscheinlich die meiste Hintergrundmusik, was ich transaktionale oder funktionale Musik nenne, leicht ersetzen, da die meisten Zuhörer:innen nicht wirklich daran interessiert sind, ob diese Musik von einem Menschen erstellt wurde. Die Strategie sollte daher sein, prominentere TV-Platzierungen mit Titelmelodien oder Jingles zu sichern, die viel hochwertige menschliche Kreativität enthalten. Hier liegt das Potenzial darin, neue Formen der musikalischen Kreativität mit KI-Werkzeugen zu entwickeln.
Darüber hinaus habe ich keinen Zweifel daran, dass KI neue Einnahmequellen für kreative Menschen aller Art schaffen wird. Eine Möglichkeit könnte sein, dass Content Creator sich dazu entscheiden, ihre Werke gegen eine Vorauszahlung und möglicherweise eine prozentuale Beteiligung an den Backend-Tantiemen oder Pauschallizenzen an generative Modelle zu lizensieren. Auf dem Sync-Licensing Markt sehe ich eine Strategie darin, dass Musikverlage eigene KI-Modelle mit den Werken ihrer Komponisten trainieren und dann diese Modelle an bestimmte TV- und Filmkunden lizenzieren. Das würde Musiker:innen nahezu unbegrenzte Möglichkeiten geben, weiter hochwertige Musikstücke zu erstellen, ohne dass die Komponist:innen und Verlage von den Einnahmen ausgeschlossen werden. Aber die Zukunft bleibt ungewiss. Die Zeit wird zeigen, wie unsere Branche die KI-Technologie integrieren wird.
statworx Kommentar
Menschen begegnen neuen, disruptiven Technologien sowohl mit Begeisterung und Hoffnung als auch mit Skepsis und Angst. KI, die Verkaufsprognosen erstellt oder Empfehlungen ausspricht, erfreut sich bereits breiter Akzeptanz. Der derzeitige Hype um generative KI, die spätestens mit dem Aufstieg von ChatGPT massentauglich wurde, wird jedoch von vielen Menschen kritisch hinterfragt. Angesichts der Fähigkeit von Künstlicher Intelligenz, nicht nur Muster zu erkennen, sondern auch kreative Tätigkeiten zu bewältigen, stellt sich die Frage, wie sich verschiedene Berufe weiterentwickeln werden. Einige lenken ihre Aufmerksamkeit vermehrt auf die aktuellen Grenzen solcher Systeme und sind der Ansicht, dass generative KI mehr als nur ein Spielzeug sein kann. Jesse kennt beide Seiten der Medaille durch den Austausch mit seiner Community. Er zeigt in diesem Interview auf, dass weder Gleichgültigkeit noch Panik der richtige Weg sind. Vielmehr sollten Kreativschaffende den sozialen Wert ihrer Werke betonen, statt Massenware zu produzieren. Zusätzlichsollten sie offen für neue Chancen und Geschäftsfelder sein, die erst durch die zunehmende Verbreitung von KI-Technologie entstehen.
Die Verknüpfung von Künstlicher Intelligenz und Musik bietet interessante Perspektiven. Wir bei statworx sind davon überzeugt, dass mit dem technologischen Voranschreiten von KI große Chancen, aber auch Risiken entstehen. Um diese zu minimieren, haben wir unsere entwickelt, an denen wir uns als Unternehmen orientieren.
Unsere Leitlinien im Umgang mit KI fungieren dabei als zuverlässiger Wegweiser, der uns in unserem täglichen Schaffen und in Entscheidungsprozessen leitet. Durch sie gewährleisten wir, dass unsere Arbeit dazu dient, Menschen zu unterstützen und zu stärken, wobei mögliche Risiken von Anfang an erkannt und minimiert werden.
Der allgegenwärtige Kontakt mit KI-Systemen prägt längst unseren Alltag. Wir glauben daran, dass es wichtig ist, dass jeder die Fähigkeit hat, diese Technologien bewusst und informiert zu nutzen. Deshalb setzen wir uns aktiv dafür ein, die Kompetenz im Umgang mit KI durch Bildung zu fördern, um zu einer informierten Gesellschaft beizutragen.
In der Welt der Musik bleibt der Mensch zweifellos im Zentrum, während KI zugleich völlig neue Horizonte eröffnet. Wenn wir unseren Blick in die Zukunft richten, wird deutlich, dass Künstliche Intelligenz die Art und Weise, wie wir Musik erschaffen und erleben, nachhaltig transformieren wird. Mithilfe einer ausgewogenen Herangehensweise, die Menschlichkeit und Technologie in Einklang bringt, haben wir die Möglichkeit, eine harmonische Melodie aus Innovation, Inspiration und Verantwortung zu komponieren.
Wie kann das Zusammenspiel zwischen Musik und KI konkret aussehen?
Unser KI- und Musik-Experte Max Hilsdorf hat in unserem letzten Instagram Reel aufgezeigt, wie man ein Songcover mithilfe von KI erstellen kann.
Hier geht es zum Video: https://www.instagram.com/p/Cv9pohzI0UN/